
“Das San Francisco Chronicle History Quiz baut auf 156 Jahren Berichterstattung des SF Chronicle auf", sagt Tim O'Rourke, Chef des Entwicklungslabors von Hearst
TL;DR: Das News-Quiz erlebt gerade eine Renaissance. Einst auf die hinteren Seiten von Zeitungen und Magazinen verbannt, werden Quizze zunehmend zu ausgeklügelten Engagement-Tools, um Gelegenheitsnutzer in treue Abonnenten zu verwandeln. Und der neueste Trend: Publisher nutzen künstliche Intelligenz, um die Quiz-Produktion in einem Maße zu skalieren, das noch vor wenigen Jahren unmöglich gewesen wäre.
Der traditionelle Ansatz: Von Menschen erstellte News-Quizze
Große amerikanische News-Publisher haben News-Quizze schon lange als Engagement-Tools und Marken-Differenziatoren etabliert, mit unterschiedlichen Ansätzen, je nach Zielgruppe und Mission.
NPR betreibt ein wöchentliches News-Quiz, das alles von Politik bis Pop-Kultur mit einer charakteristischen Mischung aus ernsten Nachrichten und leichtherzigen Kommentaren abdeckt. Aktuelle Quizze behandelten Themen von "massiven Fahndungen" und "Vulkanausbrüchen" bis hin zu "Promi-Eskapaden" und "Präsidenten-Dekreten" und zeigen die Bandbreite aktueller Berichterstattung. Und NPRs ikonische Show "Wait Wait... Don't Tell Me!", die 1998 auf Chicagos öffentlichem Radiosender WBEZ startete, ist zu einem der erfolgreichsten Programme von NPR geworden. Die humoristische News-Quiz-Show wird an 520 öffentliche Radiosender landesweit syndiziert und erreicht fast 3 Millionen wöchentliche Hörer im Radio plus zusätzlich 1 Million monatliche Podcast-Downloads.
CNN produziert das 5 Things Weekly News Quiz, das direkt mit dem beliebten Morgen-Newsletter verknüpft ist und eine Synergie zwischen verschiedenen Content-Produkten schafft. Aktuelle Ausgaben behandelten politische Entwicklungen, internationale Ereignisse und Breaking News und fügen dem Fokus von CNN auf aktuelle Nachrichten ein interaktives Element hinzu.
Die Washington Post startete On the Record im Februar 2023 als "das erste inhouse entwickelte Spiel", so Christopher Meighan, der damalige Direktor für neue News-Produkte. Das tägliche Quiz fordert Spieler heraus, bemerkenswerte Zitate aus Top-Storys zu identifizieren und bietet Ein-Fragen-Quizze von Montag bis Donnerstag sowie längere Wochenend-Ausgaben.
Bloomberg startete Pointed im März 2025 - ein kostenloses wöchentliches Format basierend auf Wirtschafts- und Finanznachrichten, das sich als "das News-Quiz für Risikofreudige" positioniert.
Die New York Times veröffentlicht jeden Freitag ein News-Quiz, basierend auf den Ereignissen der Woche und zusammengestellt vom Team des Morning-Newsletters.

On the Record ist das News-Quiz der Washington Post
Der KI-Ansatz: News-Quiz-Produktion im großen Maßstab
Neuerdings arbeiten einige Publisher mit KI, um die Quiz-Produktion zu optimieren.
Die Transformation ist sehr deutlich bei Hearst Newspapers (HNP) sichtbar. Dort hat Tim O'Rourkes DevHub-Team das KI-gestützte Quiz-Generierungs-System EmCee (Multiple Choice) entwickelt. "Emcee basiert auf der redigierten und kontrollierten Originalberichterstattung unserer Redaktionen. Hier gibt es keine Halluzinationen", erklärte mir vor kurzem O'Rourke, Vice President of Content Strategy bei Hearst. "Wir scrapen unsere beliebtesten Storys, nutzen GenAI, um die Storys in ein Multiple-Choice-Format zu verwandeln, starten eines der interaktiven Quiz-Templates des DevHub und benachrichtigen den Redakteur."
Das ist eine massive Erleichterung für Produzenten von Quiz-Content. Was früher "ein ganzer Arbeitstag" für Redakteure war, dauert jetzt "eine halbe Stunde oder eine Stunde redaktioneller Überprüfung", so O'Rourke. Die Zeitersparnis ist so erheblich, dass Hearst "KPIs [Key Performance Indicators] rund um die eingesparten menschlichen Arbeitsstunden bei dieser Art von routinemäßiger, wiederholbarer Aufgaben trackt”. Die eingesparte Zeit wird in mehr Berichterstattung zurück investiert.
Weitere Beispiele:
Das TIME Magazine kooperierte im Juni 2023 mit ChatGPT, um das jahrhundertealte Archiv für Quiz-Content zu durchforsten. Nach der Entfernung der digitalen Paywall von TIME sah der Verlag eine Gelegenheit, "200 Millionen Wörter" historischen Journalismus in ansprechenden Quiz-Content zu verwandeln. Die Partnerschaft ist eines der bedeutendsten frühen Experimente, bei dem ein großes traditionelles Medienunternehmen generative KI für die Content-Erstellung nutzt. Nach mehreren Runden Prompt Engineering und Qualitätskontrollen entwickelte sich dieses Quiz-Experiment zu einem umfassenden mehrjährigen Content-Deal und strategischen Partnerschaft, die 2024 angekündigt wurde.
NRI Nation, eine Website für die indische Diaspora, gegründet von KI-Expertin Nikita Roy und produziert im Inkubator des Harvard Innovation Lab, war ein weiterer Pionier bei KI-generierten News-Quizzes. 2023 entwickelte das Team die GPT-4-basierte Google Docs-Erweiterung "AI Assist" als Teil der Generative AI Newsroom Challenge. Das Tool half bei Überschriften, SEO-Metadaten, Social-Media-Posts und bei der Produktion von News-Quizzes. Wichtige Erkenntnisse aus dem Quiz-Prompt-Engineering-Prozess umfassten die Bedeutung iterativer Verfeinerung, die Nutzung von GPTs Fähigkeit, eigene Prompts zu erstellen, präzise und spezifische Anforderungen zu stellen und System-Prompts zu verwenden, um spezifische Rollen zuzuweisen und die Genauigkeit zu verbessern. Letztendlich kam das Team jedoch zu dem Schluss, dass GPT-4 zwar vielversprechend für die Automatisierung der Quiz-Erstellung war, das allgemeine Training des Sprachmodells aber nicht gut genug zum Ton und den Standards von NRI Nation passte.
KI News-Quizze mit Vendor-Hilfe erstellen
Mehrere US-Medienunternehmen streben danach, den erheblichen redaktionellen Aufwand für die Produktion von News-Quizzes noch weiter zu reduzieren, indem sie nicht nur GenAI einsetzen, sondern auch einen Vendor für das Framework nutzen. News Games positioniert sich als Anbieter "KI-gestützter News-Quizze, Kreuzworträtsel und Wortspiele für Medienunternehmen" und verspricht, "problemlos Online-Wortspiele und Quizzes anzubieten, die einzigartig auf dem News-Content basieren." Zu den mehr als einem Dutzend US-Kunden gehören The Seattle Times, The Texas Tribune und der öffentliche Radiosender WBUR in Boston mit den wöchentlichen News-Quizzes.

Die Seattle Times, die Texas Tribune und der Radiosender WBUR nutzen den gleichen Anbieter für Newsquiz-Frameworks
Auffällig ist: Während The Seattle Times explizit angibt, dass die Fragen und Antworten "mit Hilfe eines künstlichen Intelligenz-Tools erstellt wurden, das sorgfältig gesteuert und von unseren sehr menschlichen Redakteuren überwacht wird", und The Texas Tribune die KI-Nutzung ähnlich transparent macht, macht WBUR die Nutzung eines automatisierten Systems nicht explizit.
News-Quizze treiben Abonnements und Engagement an
Was diese Quiz-Initiativen – mit oder ohne GenAI – bedeutsam macht, ist die Rolle als Treiber von Abonnement-Einnahmen und Audience-Engagement mit beeindruckenden Ergebnissen.
Die Washington Post berichtete von erheblichem Engagement-Erfolg seit dem Start von "On the Record". "Das Engagement in unseren Spielen ist auf einem Allzeithoch, wobei die Mehrheit der Nutzer zurückkehrt, um zu spielen, manche bis zu 30 Mal im selben Monat", bemerkte Christopher Meighan und betonte, wie das Quiz "Spieler auf neue, unterhaltsame und interaktive Weise mit unserem Journalismus verbindet."
Die New York Times liefert die umfassendsten verfügbaren Erfolgsmetriken und demonstriert, wie Spiele allgemein News-Engagement antreiben können. Wordle allein bringt seit der NYT-Übernahme im Januar 2022 jährlich zig Millionen neue Nutzer. Jonathan Knight, Senior Vice President und Head of Games bei The New York Times, sagte Digiday 2023, dass "Abonnenten, die in einer beliebigen Woche sowohl mit News als auch mit Spielen interagieren, das stärkste langfristige Abonnenten-Bindungsprofil aller bei der Times haben."
Wordle, Connections, das Kreuzworträtsel und andere NYT-Spiele basieren nicht auf Wissen über aktuelle Ereignisse. Aber am Super Bowl Sunday (9. Februar 2025) startete die NYT die Connections Sports Edition, einen Ableger von Connections, der Sportberichterstattung mit news-ähnlichem Sport-Content verbindet. Dieses Quiz lebt bisher nicht in der Games-App oder im Games-Bereich auf der NYT-Website, sondern ist nur über The Athletic zugänglich. Das ist die Sport-Journalismus-Site, die die NYT 2022 für 550 Millionen Dollar übernahm. Die Sport-Version von Connections wird von The Athletic Managing Editor Mark Cooper verfasst, der inzwischen auch Quiz-Chef ist. Dies Version zeigt, wie sich Spezialwissen von Sportfans für Quiz-Engagement nutzen lässt. Anders als beim regulären Game Connections, so Cooper, basiert die Sport-Edition "mehr auf einer Trivia-Komponente zum Lösen", funktional ähnlich zu News-Quizzen, die aktuelles Ereigniswissen testen.

Die allgemeine Version des Games Connections (links )versus Sports Edition
Medienunternehmen betrachten zunehmend interaktive, gamifizierte und personalisierte Erfahrungen als wichtige Treiber von Engagement und letztendlich Abo-Konvertierungen. News-Quizze knüpfen an alle drei Erfahrungen mit messbarem Erfolg an. Diese Performance reicht über einfache Engagement-Metriken hinaus und bietet messbare Umsätze. "Wir sehen es als Mehrwert, um unsere wichtigsten Leser glücklich und engagiert zu halten, im Verständnis, dass wir Dinge im lokalen Markt liefern können, die einzigartig sind und Wert haben, den sie nirgendwo anders bekommen können", erklärte O'Rourke Hearsts Ansatz.
Bloombergs Strategie mit Pointed betont Engagement gegenüber expliziter Abonnement-Konversion. "Pointed ist eine einzigartige Bloomberg-Erfahrung", sagte Joel Weber, Head of Bloomberg Explains and Games, MediaPost. "Wir freuen uns darauf, Spiele als neue Content-Kategorie zu entwicklen und Nutzer auf überraschende Weise zu engagieren." Das Quiz ist kostenlos spielbar und positioniert sich als Brand-Engagement-Tool, das Bloombergs Expertise in aktuellen Fragen demonstriert, während es potentiell Nutzer zu weiteren Bloomberg-Produkten führt.
Jenseits von Entertainment: Strategische Differenzierung
Verlage positionieren Quizze als strategische Differenzierungsmaßnahmen in einer zunehmend kompetitiven Aufmerksamkeits-Ökonomie. O'Rourke sieht Quiz-Content als Teil einer größeren Strategie, Medienunternehmen "unabhängiger von der Suche" zu machen und "einzigartige lokale Leser-Tools, interaktive Inhalte und Guides" zu schaffen.
Bei Hearst variieren Quizze erheblich zwischen den einzelnen Märkten und spiegeln lokale Prioritäten und Expertise wider. "In einem Markt könnte es ein einfaches News-Quiz der aktuellen Ereignisse der Woche sein, in einem anderen Markt könnte es sich auf Sport konzentrieren und in einem anderen Markt ist es ein Archiv-ähnliches Geschichts-Quiz, das auf den 156 Jahren SF Chronicle-Berichterstattung basiert", erzählte mir O'Rourke.
Diese Lokalisierungs-Strategie adressiert eine Schlüsselherausforderung bei der Skalierung von Innovation in Medienunternehmen: Authentizität zu bewahren, während Skaleneffekte erreicht werden. "Unsere Philosophie ist im Kern zentrale technische Expertise gemischt mit lokaler Markt-Expertise", erklärte O'Rourke.
Trotz des Automatisierungspotentials behalten erfolgreiche News-Quiz-Operationen strenge redaktionelle Aufsicht bei. Bei Hearst gibt es "keine direkte Veröffentlichung ins Web; ein Human ist im Loop und hat die Kontrolle über jeden Teil des Contents", so O'Rourke. Dieser vorsichtige Ansatz gegenüber KI-generiertem Content ist in der US-Medienbranche inzwischen weit verbreitet. "Wir sind im Genauigkeits-Geschäft", betonte O'Rourke während unseres Interviews. "Wir müssen sicherstellen, dass das, was wir veröffentlichen, genau ist, und dass wir unseren Lesern keine unfaire Belastung auferlegen."
Interessant am Rand: Buzzfeed – das erste Medienunternehmen, der GenAI für Quiz-Content nutzte – hält sich ganz von News-Quizzes fern. Das Unternehmen startete Infinity Quizzes im Februar 2023, angetrieben von ChatGPT. Buzzfeeds Quizze konzentrieren sich jedoch vollständig auf Entertainment-Content wie "Create Your Own Rom-Com" und "Find Your Soulmate (Hint: It's a House Plant)" statt auf aktuelle Ereignisse oder News-Wissenstests. Das wiederum scheint aber logisch nach dem Pivot von Pulitzer-Preis-gewinnenden Hard News zu reinem Entertainment.
Key Learnings für Publisher, die mit News-Quizzes experimentieren wollen
Redaktionelle Expertise gegenüber reiner Automatisierung priorisieren: Hearsts Erfolg mit Emcee zeigt, dass die effektivsten Quiz-Systeme KI-Effizienz mit tiefem redaktionellem Wissen kombinieren. Verlage sollten KI als Produktions-Beschleuniger betrachten, nicht als Ersatz für redaktionelles Urteilsvermögen.
Mit den stärksten Content-Bereichen beginnen: The Athletics Sport-Quiz-Erfolg und Hearsts marktspezifischer Ansatz zeigen, dass Quiz-Content am besten funktioniert, wenn er auf bestehenden redaktionellen Stärken aufbaut. Verlage sollten ihre stärksten Themen identifizieren – ob Lokales, spezifische Ressorts oder Spezialthemen – und Quiz-Content entwickeln, der diese Expertise nutzt, anstatt zu versuchen, alle News breit abzudecken.
Für produktübergreifendes Engagement designen, nicht für eigenständigen Erfolg: Die Metriken der New York Times zur Nutzerbindung offenbaren den wahren Wert von Quiz-Content: Abonnenten, die sowohl mit News als auch mit Spielen interagieren, haben deutlich stärkere Bindungsprofile. Das deutet darauf hin, dass Verlage Quizzes als Engagement-Verstärker positionieren sollten, nicht unbedingt als eigenständige Produkte. Bloombergs kostenloses Pointed-Modell verkörpert diesen Ansatz und nutzt das Quiz, um Expertise zu demonstrieren und Nutzer zu anderen Bloomberg-Produkten hin zu führen, anstatt das Quiz direkt zu monetarisieren.
Operative Effizienz neben Engagement messen: Hearst verfolgt "KPIs rund um eingesparte menschliche Arbeitsstunden", weil der Wert der Quiz-Automatisierung über User-Metriken hinausgeht. Die Reduktion der Quiz-Produktion von "einem ganzen Arbeitstag auf eine halbe Stunde oder eine Stunde redaktioneller Überprüfung" ermöglicht es Redaktionen, Zeit "in mehr Berichterstattung zu leiten." Publisher sollten sowohl Steigerungen beim Engagement als auch das Freiwerden von Ressourcen berechnen, wenn sie Quiz-Initiativen bewerten.
Vendors für Kosteneffizienz nutzen: Von-der-Stange-Lösungen wie die von News Games ermöglichen es Publishern, automatisierte Quiz-Systeme schnell zu implementieren, ohne die Technologie inhouse zu entwickeln.
Unabhängigkeit von Search Traffic schaffen: Tägliche oder wöchentliche News Quizze schaffen Gewohnheiten und Gewohnheitsnutzer sind wertvoller als Gelegenheitsnutzer.