Das Wichtigste vorweg: Jeder kennt Axios, nicht zuletzt wegen seines markenrechtlich geschützten genialen Slogans "Smart Brevity". Morning Brews Phrase "Become Smarter in Just 5 Minutes" bedeutet im Grunde dasselbe in mehr Worten. Aber nicht wäre falscher als den Newsletter mit dem weniger “catchy” und weniger bekannten Slogan für weniger wichtig auf dem B2B-Newsletter-Sektor zu halten.

Was als einzelner Consumer-Newsletter für Studenten begann, ist durch strategischen KI- und Dateneinsatz zu einem diversifizierten Consumer- und Business-Medienimperium geworden. Morning Brew nutzt KI hauptsächlich für Zielgruppensegmentierung und Content-Creation-Tools, vermeidet aber KI-generierte redaktionelle Inhalte. Seine jährlichen B2B-Umsätze sollen 2025 erstmals ihren Flaggschiff-Consumer-Newsletter übertreffen und 25 Millionen Dollar durch datengesteuerte Vertical-Auswahl und plattformübergreifende Zielgruppenoptimierung generieren.

Vom Studentenwohnheim zum Medienimperium

Morning Brews Story begann 2015, als Alex Lieberman und Austin Rief einen einzigen täglichen Newsletter aus ihrem Studentenwohnheim an der University of Michigan starteten, ursprünglich "Market Corner" genannt. Der Newsletter sollte Wirtschaftsnachrichten für Studenten und junge Berufstätige verdaulich machen, die traditionelle Publikationen wie das Wall Street Journal zu schwer verständlich und langweilig fanden.

Der consumer-fokussierte Flaggschiff-Newsletter Morning Brew wuchs auf 4,4 Millionen Abonnenten mit über 50% Öffnungsraten und 75% Vollständig-Gelesen-Raten. 2018, nach Erreichen von einer Million Abonnenten, erkannten die Gründer, dass sie zusätzliche Umsatzströme jenseits dieses einen Consumer-Newsletters brauchten, um ein nachhaltiges Medienunternehmen aufzubauen.

Der Schwenk zu B2B war strategisch sinnvoll: Professionelle Zielgruppen bieten höhere Werbepreise, zielgerichtetere Demografien für Werbetreibende und Möglichkeiten für Premium-Events und -Services. Wie Dippell im März 2025 gegenüber Brian Morrisseys Podcast The Rebooting Show erklärte, sind B2B-Zielgruppen wertvoller, weil sie zum Beispiel "Berichte und Guides herunterladen und an Events teilnehmen."

Entscheidend ist, dass diese Expansion durch Morning Brews ausgeklügelte Dateninfrastruktur ermöglicht wurde, die es MB erlaubt, seine massive Consumer-Zielgruppe zu segmentieren und neue B2B-Potenziale innerhalb der bestehenden Abonnentenbasis zu identifizieren.

Axel Springers strategische Übernahme

Morning Brews Wachstumskurs zog große Medieninvestitionen an. Im Oktober 2020 erwarb der deutsche Medienriese Axel Springer über seine Tochtergesellschaft Business Insider eine Mehrheitsbeteiligung an Morning Brew für 75 Millionen Dollar. Zu diesem Zeitpunkt generierte Morning Brew etwa 20 Millionen Dollar Jahresumsatz.

Die Übernahme erwies sich als vorausschauend. Im Februar 2025 übernahm Axel Springer Morning Brew komplett zu einem Preis, der nicht bekannt gegeben wurde. Das Unternehmen hat angekündigt, in diesem Jahr mehr als 70 Millionen Dollar Jahresumsatz zu erzielen.

Datengetriebene B2B-Umsatzexplosion

2024 war "ein wichtiger Wendepunkt für B2B-Fähigkeiten im Unternehmen mit verstärktem Fokus auf Events, Daten-Targeting und Content-Services", sagte Rief letztes Jahr gegenüber Axios.

MBs neuer CEO Robert Dippell, der Rief im Februar 2025 ersetzte, bringt umfangreiche B2B-Medienerfahrung mit und sieht wenig Grund für dramatische Veränderungen. "Wir müssen dieses Unternehmen nicht komplett auf den Kopf stellen, wir können einfach weiterentwickeln, was wir machen, weil wir eine so großartige Beziehung zur Zielgruppe haben und so viel Potenzial für Kreuzbefruchtung", sagte Dippell 2025 im Newsletter A Media Operator (AMO).

MBs B2B-Marken erzielten 2024 25 Millionen Dollar Umsatz und die Zahl der Gesamtabonnenten hat sich seit 2022 mehr als verdoppelt. Das Unternehmen betreibt nun acht professionelle Newsletter zu den Themen Marketing, HR, Tech, IT, CFO, Einzelhandel und Gesundheitswesen. Der neueste Zugang - Revenue Brew - startete gerade erst in diesem Monat.

Morning Brew Inc erwartet nun, dass sein B2B-Zweig erstmals in diesem Jahr den Umsatz des täglichen Flaggschiff-Newsletters übertreffen wird.

KI-gesteuerte Zielgruppensegmentierungsstrategie

Morning Brews Wachstumsstrategie konzentriert sich auf das, was Dippell "Kreuzbefruchtung" zwischen Consumer- und B2B-Zielgruppen nennt, ermöglicht durch KI-gesteuerte Datenanalyse, die professionelle Zielgruppen innerhalb der Consumer-Basis identifiziert und zu segmentiert. Diese Querpromotion nutzt Morning Brews massive Consumer-Basis von mehr als 4 Millionen Abonnenten, um neue B2B-Verticals durch automatisiertes Zielgruppen-Targeting anzuschieben. Wenn jemand Morning Brew liest, MBs Podcasts hört und CFO-Ambitionen hat, wird sie oder er per "Kreuzbefruchtung" unweigerlich auch dahin gelenkt, CFO Brew zu entdecken, erklärte Dippell gegenüber AMO.

Multimedia-Umsatzschub

Morning Brews Multimedia-Produkte sind laut Axios auf Kurs, 2025 "deutlich über" 10 Millionen Dollar Top-Line-Umsatz zu erzielen, hauptsächlich angetrieben von Podcasts und Creator-produzierten Inhalten.

Morning Brew Daily ist laut Talking Biz News (Oktober 2024) der am meisten heruntergeladene Business-Podcast auf Spotify, und der Werbeumsatz damit twuchs 2024 um einen mehrstelligen Millionen-Dollar-Betrag.

Die Morning Brew Daily Show mit jetzt 92.000 Abonnenten erreichte in weniger als zwei Jahren mehr als 50 Millionen Downloads und 5 Millionen Dollar Jahresumsatz, mit einem Anstieg 2024 von über 700 Prozent gegenüber dem Vorjahr, laut AMO. Video-Content ist ebenso beeindruckend: Morning Brews Good Work with Dan Toomey hat 1,16 Millionen YouTube-Abonnenten und Money With Katie 26.500 Abonnenten bei YouTube.

Besonders interessant ist, dass laut Axios über 60 Prozent von Morning Brews Zielgruppen-Engagement nun auf anderen Plattformen als Newsletter stattfindet. Das zeigt, dass Newsletter nicht nur ein relevantes Umsatzmodell sind, sondern auch eine mächtige Basis für erfolgreiche Multimedia-Diversifizierung sein können.

KI-gesteuerte Vertical-Auswahl und Dateninfrastruktur

Morning Brews Ansatz zur Identifizierung neuer B2B-Verticals kombiniert Datenanalyse mit KI-gesteuerte Zielgruppenanalyse.

Für den brandneuen Revenue Brew Newsletter enthüllte Dippell im The Rebooting Show Podcast, dass "10 Prozent der 4,2 Millionen Kernnutzer bereits in Jobs sind, die für ein Vertical relevant sind, in das wir einsteigen werden." Das Unternehmen analysiert auch "wo wir aus Sicht der Werbungtreibenden in eine lukrative neue Nische einsteigen und wo es wahrscheinlich zusätzliches Potenzial und mehr Werbeausgaben gibt, wenn wir tiefer in ein spezifisches Vertical gehen."

Das strategische Framework kombiniert KI-gesteuerte Zielgruppenanalyse mit einer Bewertung des Wettbewerbsumfelds und sucht Bereiche, die unterversorgt sind. Eine erhebliche Menge relevanter Daten entsteht auch durch schiere Masse: MB kann auf einen Schlag das Interesse von 20.000 oder 30.000 Nutzern an einem neuen Nischen-Bereich per Umfrage prüfen.

Dieser Ansatz ähnelt Industry Dives Strategie. Das ist ein konkurrierendes B2B-Newsletter-Imperium, das 34 Branchen in 37 Newslettern und anderen Publikationen abdeckt und stets die Nachfrage bei den Nutzern und Werbetreibenden analysiert und Vorab-Anzeigenbuchungen nachweist, bevor es sich in eine neue Nischen-Branche hinein begibt. Unter Industry Dives Titeln sind welche, die komplett "unsexy" klingen aber hochlukrative Nischen-Branchen abdecken, wie beispielsweise "Multifamily Dive" (Mehrfamilienhäuser in der Immobilienbranche), "Packaging Dive" (Verpackungsindustrie) oder "Waste Dive" (Abfall- und Recycling-Management).

Warum sich Consumer-Publisher mit B2B schwer tun

Consumer-Publisher scheitern oft bei der B2B-Expansion an fundamentalen operativen Unterschieden. "Consumer-Publisher nehmen an, dass wenn sie ein wirklich gutes Consumer-Vertriebsteam haben, sie automatisch auch verstehen, wie sie in B2B-Verticals eindringen und dort den Vertrieb ankurbeln können", sagte Dippell gegenüber The Rebooting Show. "So funktioniert das aber nicht."

Die Verkaufsdynamiken sind laut Dippell diametral verschieden: Der Consumer-Bereich erfordert längere RFP-basierte Zyklen [Request-for-Proposal-Prozesse, bei denen Werbetreibende Wettbewerbsangebote einholen] mit größeren Deals aber geringeren Volumen, während B2B "hohes Volumen von Kunden" mit kürzeren Zyklen und kleineren Einzeltransaktionen verlangt. Die Produktanforderungen unterscheiden sich auch - B2B fokussiert sich vor allen auf Lead-Generierung und Thought Leadership, während auf dem Consumer-Markt große Markenkampagnen laufen.

Morning Brew gelang die Expansion in den B2B-Markt auch deshalb, weil as Unternehmen bereits B2B-Expertise mit Leuten wie dem Executive Editor Josh Sternberg (zuvor Digidays Medien-Reporter) und Jacob Donnelly hatte. (Letzterer verließ MB, um A Media Operator zu starten).

KI-Content-Tools vs. redaktionelle Grenzen

Morning Brew nutzt künstliche Intelligenz strategisch über die Betriebsabläufe hinweg, während es klare Grenzen bei redaktionellen Inhalte aufrechterhält. Das Unternehmen nutzt KI hauptsächlich für Zielgruppen-Targeting und operative Effizienz und nicht für die Content-Generierung.

Die KI-Strategie des Unternehmens spiegelt einen vorsichtigen Ansatz wider: Automatisierung nutzen, um menschliche Fähigkeiten zu verstärken statt redaktionelles Urteilsvermögen zu ersetzen. Und Data Power nutzen, um Zielgruppenpotenziale zu identifizieren und Umsatzströme zu optimieren.

Zukunftspläne und Plattform-Ambitionen

In der Zukunft von Morning Brew sind Fusionen und Übernahmen nicht unwahrscheinlich, aber sie stehen nicht unmittelbar bevor. Dippell will Morning Brew zuerst zu einer Plattform aufbauen, die fähig ist, komplementäre Unternehmen zum Netzwerk hinzuzufügen.

Dippell stellt sich vor, dass Morning Brew über Newsletter hinaus zu einem Plattform-Business evolviert. "Morning Brew hat die Chance, viel mehr ein Plattform-Business zu sein, als gemeinhin angenommen wird", sagte er gegenüber AMO. "Die Branche sah in uns vor wenigen Jahren noch ein kleines Unternehmen, das zu Axel Springers Portfolio hinzugefügt wurde. Mit der Zeit könnten wir aber viel wertvoller werden als man glaubt."

Lektionen für Publisher

Morning Brews Erfolg bietet wichtige Learnings für sowohl B2B- als auch B2C-Publisher:

Für B2B-Publisher:

Exzellente Zielgruppensegmentierung: Ähnlich wie Industry Dives Ansatz studiert Morning Brew Zielgruppenanalysen intensiv, um Nischen-Newsletter-Möglichkeiten zu identifizieren, wie beispielsweise Sportmarketing innerhalb des breiteren Marketing-Verticals.

Multimedia-Integration: Obwohl in Newslettern verwurzelt, hat sich Morning Brew mit Podcasts, Videos, Live- und virtuelle Events diversifiziert, wobei mehr als 60% des Zielgruppen-Engagements nun außerhalb von Newslettern stattfindet.

Cross-Platform-Hebel: Das Unternehmen nutzt seine massive Consumer-Newsletter-Basis, um sofortige Aufmerksamkeit für neue B2B-Launches zu generieren und einen nachhaltigen Wachstumsmotor zu schaffen.

Event-Monetarisierung: B2B-Newsletter dienen als ideale Grundlagen für hochmargige Networking-Events und professionelle Konferenzen.

Für B2C-Publisher:

Umsatzdiversifizierungsstrategie: Morning Brew demonstriert, wie Consumer-Publisher der Werbeerlös-Falle mit immer niedrigeren CPMs [Cost per Mille, oder Kosten pro tausend Impressionen] entkommen können, indem sie professionelle Verticals aufbauen, die höhere CPMs und stabilere Umsatzströme bieten.

Zielgruppen-Data-Mining: Die Fähigkeit des Unternehmens, B2B-Interessenten innerhalb ihrer Consumer-Basis zu identifizieren, zeigt den Wert ausgeklügelter Zielgruppenanalysen und Segmentierungsfähigkeiten.

Cross-Promotion-Power: Eine große Consumer-Zielgruppe wird zu einem mächtigen Marketing-Kanal für den Launch professioneller Produkte und reduziert Kundenakquisitionskosten für neue Verticals.

Plattform-Denken: Statt Newsletter als eigenständige Produkte zu betrachten, bauen erfolgreiche Publisher vernetzte Medien-Ökosysteme auf, auf denen sich Zielgruppen in einem großen Kosmos frei bewegen.

Creator-produzierter Content: Morning Brews Erfolg mit persönlichkeitsgetriebenen Shows wie "Good Work mit Dan Toomey" demonstriert, wie Publisher individuelle Creators einsetzen können, während sie die Markenkontrolle behalten.

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  • Otter.ai: Podcast-Transkription

  • Claude 4.0 Sonnet Pro und Deep Research: Gelenkte Recherche und Rohfassung Newsletter

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