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Links: Das Mobile Stories Schreib- und Editier-Tool. Rechts: Die Karte zeigt alle europäischen Regionen, in denen Mobile Stories Projekte gestartet hat.

Fast die Hälfte der jungen Schweden glaubt, dass die Medien sie aktiv belügen. In den USA liegt diese Zahl bei 80 Prozent. Das sind keine Verschwörungstheoretiker am Rand der Gesellschaft – das ist die Generation, die Medienunternehmen dringend brauchen, während ihre älteren Zielgruppen allmählich wegsterben.

Seit einem Jahrzehnt führt eine kleine schwedische Non-Profit-Organisation ein Experiment durch: Statt jungen Menschen etwas über Journalismus beizubringen, lässt man sie Journalismus machen – mit professionellen redaktionellen Leitplanken, die in den Workflow eingebaut sind. Letzte Woche habe ich mit den Gründern Lotta Bergseth, Jenny Sköld und Johan Glimskög per Zoom gesprochen. Sie haben mir die Funktionen, Erfolge, Grenzen und Zukunftspläne von Mobile Stories erklärt.

Das Modell

Mobile Stories ist ein Tool, das in Schulen in ganz Schweden und seit kurzem auch in Finnland, Irland und Rumänien eingesetzt wird. Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 19 Jahren produzieren echte Artikel, Videos und Podcasts, die vor der Veröffentlichung einen strukturierten redaktionellen Prozess durchlaufen.

Der Workflow ahmt eine professionelle Nachrichtenredaktion nach: Peer-Review ist Pflicht, Lehrkräfte fungieren als Redakteure, die Inhalte vor der Veröffentlichung freigeben müssen, und die Plattform gibt an entscheidenden Stellen im Prozess Hinweise zu Quellenverifizierung, Ethik und Urheberrecht. Ein Erdmännchen-Bot namens Trusty – derzeit noch regelbasiert, eine agentische Version ist in Entwicklung – fungiert als Mentor und stupst die Schüler in Richtung besserer Praktiken, ohne für sie zu schreiben.

Die Ergebnisse nach 10 Jahren mit Mobile Stories: Mehr als 13.000 Schüler, über 9.000 veröffentlichte Artikel, und Umfragedaten, die zeigen, dass 85 Prozent der Teilnehmer laut ihren Lehrern ihre Medienkompetenz verbessert haben. Vielleicht noch aussagekräftiger: 90 Prozent der Lehrkräfte sagten, das Tool sei für ihre Schüler wirklich motivierend gewesen.

Mobile Stories hat mir einen Test-Account gegeben. Die Oberfläche, mit der ich herumgespielt habe, ähnelt einem einfachen, aber modernen CMS mit einigen der Kernfunktionen, die auch professionelle Redaktionen nutzen. Am meisten beeindruckt hat mich der Peer-Review-Workflow und die Anforderung an die Schüler, Quellen nicht nur zu verlinken und aufzulisten, sondern zu begründen, warum sie relevant und vertrauenswürdig sind. (Hier ist ein 15-minütiges Erklärvideo für Schüler, das die Kernfunktionen durchgeht.)

Der Lernbereich des Mobile Stories Tools: Per Click können Erklärvideos zu einzelnen Themen gestartet werden.

Über Schweden hinaus: Internationale Expansion

Mobile Stories ist nicht mehr nur eine schwedische Initiative. Durch ProMS (Promoting Media Literacy and Youth Citizen Journalism through Mobile Stories), ein EU-finanziertes Projekt, das 2024 abgeschlossen wurde, wurde die Plattform ins Englische, Finnische und Rumänische übersetzt, mit Pilotprojekten an Schulen in Irland, Finnland und Rumänien.

Das Konsortium hinter dieser Expansion umfasst News Decoder (einen in Frankreich ansässigen globalen Bildungs-Nachrichtendienst), die Media & Learning Association in Belgien, das Institute for Future Media der Dublin City University und akademische Partner an der Åbo Akademi University in Finnland. Das Trust Project, ein internationales Konsortium von Medien mit Fokus auf Transparenzstandards, hat bei der Entwicklung des Ethikkodex für junge Reporter mitgewirkt.

„In einer Zeit der Desinformation ist Medienkompetenz für junge Menschen unerlässlich, um informierte Bürger zu sein", sagte Chloé Pété von Media & Learning. „Das ProMS-Projekt ist eine zeitgemäße und wichtige Initiative, die Jugendliche befähigt, digitale Medien verantwortungsvoll und kritisch zu produzieren und zu konsumieren."

Die internationale Version richtet sich an Englischlernende auf B2-Niveau (die obere Mittelstufe auf der CEFR-Skala für Englischkenntnisse). Das macht sie erstens für Schüler in ganz Europa zugänglich macht, die Englisch als Fremdsprache lernen, und schließt zweitens eine Lücke: Die meisten Jugend-Journalismus-Programme sind entweder US-zentriert oder arbeiten innerhalb einzelner nationaler Kontexte. Mobile Stories versucht etwas Ambitionierteres – eine grenzüberschreitende Plattform, auf der Schüler aus verschiedenen Ländern potenziell an Geschichten zusammenarbeiten können.

Jenny Sköld, Mitgründerin von Mobile Stories, räumte mir gegenüber ein, dass der kulturelle Transfer nicht einfach ist. In Schweden lehrt die Plattform „Quellenvertrauen" – die Idee, dass man Medien zwar nicht blind vertrauen sollte, Qualitätsjournalismus aber Standards folgt, die es wert sind, verstanden zu werden. „Das ist etwas schwierig in einen bulgarischen Kontext zu übertragen, zum Beispiel, und auch in einen rumänischen Kontext, wo Journalisten und Medien nicht so viele Ressourcen haben und vielleicht nicht so hohe ethische Standards", sagte sie. Das Team navigiert durch die Frage, wie man journalistische Ethik in Ländern vermittelt, in denen Pressefreiheit und professionelle Standards erheblich variieren.

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Die Gen-Z-Pipeline

Der schwedische Medienkonzern Bonnier arbeitet jetzt mit Mobile Stories beim Young Journalist Award zusammen, einem Wettbewerb, der Schülerjournalisten mit lokalen Redaktionen im ganzen Land verbindet. Gewinner bekommen Besuche in professionellen Nachrichtenredaktionen – und Redakteure bekommen direkten Einblick, wie junge Menschen über Nachrichten denken.

„Sie haben nicht so viel Zeit und Ressourcen, um mit jungen Menschen zu arbeiten", sagt Sköld. „Aber sie sind beeindruckt, und sie finden es gut, dass wir für sie da sind."

Das Angebot an traditionelle Medien: Mobile Stories hat ein Jahrzehnt damit verbracht zu lernen, was Journalismus für die Generation attraktiv macht, die gerade traditionellen Nachrichten den Rücken kehrt. Dieses institutionelle Wissen – welche Themen sie ansprechen, wie sie Glaubwürdigkeit bewerten, welche Formate funktionieren – ist wertvolles Wissen für Redaktionen, die darum kämpfen, das Vertrauen jüngerer Zielgruppen zurückzugewinnen.

Wo KI reinpasst – und wo nicht

Mobile Stories verfolgt einen bewusst zurückhaltenden Ansatz bei KI. Die Plattform generiert keine Inhalte. Schüler können sie nicht nutzen, um ihre Artikel zu schreiben. Die Rolle von KI ist strikt unterstützend: Sie verstärkt Lehrer und Mentoren, ersetzt aber kein redaktionelles Urteilsvermögen.

Das Team hat konkrete KI-Ethikrichtlinien in Partnerschaft mit News Decoder und dem Trust Project entwickelt. Schüler müssen jede KI-Nutzung in ihren Artikeln offenlegen – für Recherche, Grammatikprüfung oder Bildgenerierung – mit spezifischen Angaben darüber, welche Tools sie verwendet haben und wie sie die Ergebnisse verifiziert haben. KI-generierte Bilder erfordern eine explizite Kennzeichnung und dürfen keine realistischen Szenen darstellen, die Leser in die Irre führen könnten.

„Wir würden wirklich gerne mehr Anleitungen entwickeln, wie man promptet und wie man journalistische Recherche mit KI betreibt", räumte Sköld ein. „Das ist etwas, das wir gerne machen würden, aber noch nicht gemacht haben."

Was auf der Roadmap steht: eine agentische Version von Trusty, die maßgeschneidertes Feedback zum Schreiben der Schüler geben kann, ein „Liquid Content"-System, das verfolgt, wie sich Geschichten entwickeln und über Plattformen verbreiten, und ein Zertifizierungsmechanismus, der bestätigt, dass Inhalte mit journalistischen Methoden produziert wurden. Das Team ist ehrlich: Das meiste davon ist noch in Entwicklung – sie sind ein Drei-Personen-Kernteam, das größtenteils von Fördergeldern lebt.

Die Platform, auf der die Beiträge der Schüler und Schülerinnen veröffentlicht werden, sieht aus ein wie eine reguläre Website, ist aber ein Passwort-geschützter Bereich.

Kontext: Von Zeitung in der Schule zu Mobile-First

Mobile Stories ist nicht aus dem Nichts entstanden. Journalismus-Bildung für Jugendliche hat eine lange Geschichte, und zu verstehen, wo Mobile Stories hineinpasst, hilft zu klären, was wirklich neu ist.

Der Print-Ära-Ansatz: Deutschlands „Zeitung in der Schule" läuft seit über 40 Jahren, mit Regionalzeitungen wie der Stuttgarter Zeitung, die physische Zeitungen in Klassenzimmer liefern. Das US-Äquivalent, Newspapers in Education (NIE), ist laut WAN-IFRA, dem globalen Zeitungsverlegerverband, in mehr als 80 Ländern aktiv. Diese Programme bringen Schülern bei, Nachrichten zu lesen und zu analysieren – die Zeitung als „lebendes Lehrbuch". Aber sie sind grundsätzlich auf Konsum ausgerichtet und hängen von Print-Infrastruktur ab, die rapide verschwindet.

Neuere Medienkompetenz-Programme: Das News Literacy Project in den USA hat sich als wichtige Kraft etabliert, mit seiner Checkology-E-Learning-Plattform, die Schülern beibringt, Fehlinformationen zu erkennen und Quellen zu bewerten. NLP drängt auf Medienkompetenz-Anforderungen in allen 50 US-Bundesstaaten. In New York City arbeitet die Youth Journalism Coalition daran, Journalismus-Kurse an alle 500 öffentlichen High Schools zu bringen – derzeit haben nur etwa ein Prozent der New Yorker High-School-Schüler Zugang zu Journalismus-Unterricht.

Produktion statt nur Konsum: CalMatters' Youth Journalism Initiative in Kalifornien und CUNYs Journalism for All-Programm repräsentieren neuere Ansätze, die wie Mobile Stories das Produzieren von Journalismus betonen, statt ihn nur zu konsumieren. Diese Programme platzieren Schüler in Redaktionen, bringen sie mit Mentoren zusammen und veröffentlichen ihre Arbeit.

Was Mobile Stories unterscheidet, ist der Versuch, den Produktionsprozess selbst zu systematisieren. Statt sich auf individuelle Mentorschaft oder Journalismus-AG-Betreuer zu verlassen, bettet die Plattform den redaktionellen Workflow – Peer-Review, Quellenverifizierungs-Prompts, Ethik-Checkpoints, redaktionelle Freigabe – in die Software ein. Das macht es skalierbarer und weniger abhängig davon, erfahrene Journalismus-Lehrer zu haben.

Es ist auch Mobile-First gebaut, für eine Generation, die keine gedruckten Zeitungen liest und vielleicht nie eine abonnieren wird. Die Ironie: Journalistische Ethik durch dieselben Geräte zu vermitteln, die den Großteil der Desinformation liefern.

Die Grenzen

Mobile Stories erreicht die Gen Z nicht direkt sondern über Schulen und Lehrer. Das ist ein spezifischer Kanal – kein universelles Rezept für Audience Development. Der kommerzielle Arm ist winzig (etwa 10-12 bezahlte Abonnements). Das Modell hängt stark von Förderung durch Google.org und EU-Zuschüssen ab.

Und ein grundlegendes Dilemma bleibt ungelöst: Schüler lernen rigorose Verifizierungspraktiken innerhalb der Plattform, gehen dann aber nach Hause in eine Medienumgebung, in der KI-generierte Inhalte überall sind und die Anreize Geschwindigkeit über Genauigkeit belohnen.

Aber genau das macht dieses Projekt besonders interessant. In einer Medienlandschaft, in der das Vertrauen kollabiert, setzt Mobile Stories darauf, dass die Lösung nicht bessere Algorithmen oder schickere Distribution ist, sondern jungen Menschen aus erster Hand die Erfahrung zu geben, warum redaktionelle Standards überhaupt existieren.

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