
Links: Der Houston Chronicle's Meeting Monitor ist das neueste Tool aus dem DevHub. Rechts: Tim O'Rourke (Screenshot und Foto mit freundlicher Genehmigung von O'Rourke)
Tim O'Rourke ist Vice President für Editorial Innovation and AI Strategy bei Hearst Newspapers (HNP) und leitet den DevHub, ein zentrales Team aus technisch versierten Journalisten und Programmierern, das alle Hearst-Zeitungen vom San Francisco Chronicle bis hin zu kleinen hyperlokal ausgerichteten Redaktionen betreut. Insgesamt gehören 24 Tages- und 52 kleinere Wochenzeitungen zu HNP.
Was als Datenvisualisierungs-Team begann, hat sich zu einem ambitionierten Labor für KI-Experimente entwickelt, das journalistische Prinzipien respektiert und gleichzeitig Grenzen der Innovation auslotet. Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, mit Tim zu sprechen, und er gab mir einen wertvollen Einblick in die Arbeit des Labs.
Human-in-the-Loop-Prinzip
Als ChatGPT 2022 startete, wurde der DevHub die Zentrale für Hearsts KI-Experimente. Doch O'Rourkes Team verfolgte einen bewusst vorsichtigen Ansatz, der die Genauigkeit in den Vordergrund stellt. „Wir sind im Genauigkeitsgeschäft", sagt O'Rourke. „Wir müssen sicherstellen, dass das, was wir veröffentlichen, korrekt ist und dass wir unseren Lesern keine unfaire Belastung aufbürden."
Diese Philosophie prägt alles, was der DevHub entwickelt. Zum Bespiel seine Quiz-Generierungs-Engine EmCee (Multiple Choice), die Berichterstattung in interaktive Inhalte verwandelt: Die KI automatisiert die Routinearbeit, aber menschliche Redakteure überprüfen und verfeinern weiterhin jeden Output. Was früher einen ganzen Arbeitstag dauerte, erfordert jetzt nur noch 30-60 Minuten redaktionelle Überprüfung.

Dasselbe Human-in-the-Loop-Prinzip gilt für die leserorientierten Tools. Chowbot, der Restaurant-Empfehlungs-Chatbot, startete in San Francisco, weil Hearsts Titel San Francisco Chronicle laut O'Rourke „das beste lokale Gastronomie-Team des Landes ohne Ausnahme" hat und über jahrelange strukturierte Restaurantdaten verfügt. Die KI nutzt dieses Fachwissen, anstatt es zu ersetzen.
Tools entwickeln, die Geld verdienen
Hearsts KI-Tools erzielen durchweg Einnahmen. O'Rourke verfolgt zwar die traditionelle Reichweiten-Metriken, aber wichtiger sind die Konversions-Raten für HNPs abopflichtigen Websites.
„Alles, woran der DevHub arbeitet, tendiert dazu, bei der Conversion überdurchschnittlich gut abzuschneiden und das mit einer wirklich hohen Rate", erklärt er. „Und deshalb bekommen wir weiterhin Unterstützung." Die Tools funktionieren auch gut bei den treuesten Lesern und dienen als Mehrwert, mit dem sic sich Hearsts lokale Angebote von überregionalen Wettbewerbern abheben.
Dieser Erfolg entspringt der Strategie des DevHub, einzigartige lokale Leser-Tools zu entwickeln, anstatt generische Inhalte zu produzieren. Chowbot funktioniert, weil das Tool auf lokalem gastronomischen Fachwissen basiert. Allerdings erfordert der konservative Einsatz im engen Rahmen durchaus Kompromisse, wie O'Rourke eingesteht. sagte: „Wir wollen nicht, dass unsere Leser die Genauigkeit überprüfen müssen", sagte er Generative AI in the Newsroom. HNP lässt lieber Fragen unbeantwortet, als das Risiko einzugehen, falsche Informationen zu liefern.
Jenseits der leserorientierten Tools helfen interne Systeme wie Producer-P Journalisten dabei, optimierte Schlagzeilen und SEO-Inhalte per Slack-Integration zu erstellen. Das Tool bearbeitet über 1.000 Anfragen monatlich über die gesamte Hearst-Zeitungskette hinweg und hat dabei eine fehlerfreie Bilanz bei der sachlichen Genauigkeit.
Wie interne Tools zu öffentlichen Produkten werden
Das bisher ambitionierteste Projekt des DevHub ist Meeting Monitor, das kürzlich für Leser des Houston Chronicle gestartet wurde. Der Monitor war ursprünglich ein rein internes KI-Tool, das Reportern dabei half, lokale Ratssitzungen, Ausschüsse und Versammlungen zu verfolgen, an denen sie nicht persönlich teilnehmen konnten.
„Wir haben mit diesem Tool bereits über 250 Sitzungen in der gesamten Zeitungsgruppe und allen unseren wichtigen Märkten abgedeckt", sagt O'Rourke. Die Einsätze reichen von Ausschüssen zum Thema Schädlingsbekämpfung bis hin zu Ratssitzungen auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene. „Die Reporter lieben es. Und es liegt nicht daran, dass sie nicht zu diesen Sitzungen gehen. Sie gehen zu den wichtigen, aber was ist, wenn zwei Versammlungen am selben Abend stattfinden?"
Der interne Erfolg überzeugte den DevHub, eine öffentliche Version zu entwickeln. Doch dafür mussten die Modelle neu entwickelt werden und die Benutzerfreundlichkeit angepasst werden. „Wir mussten die Informationen für normale Leser anders präsentieren als für ausgebildete Journalisten", sagt O’Rourke.
Meeting Monitor nutzt KI, um mehr Transparenz herzustellen und mehr staatsbürgerliche Informationen in die Hände der Bürger zu legen, ohne dabei zentrale journalistische Funktionen wie Analyse, Kontext und investigative Watchdog-Berichterstattung zu ersetzen.
Innovation muss nicht teuer sein
Als ich nach den Kosten fragte, betonte O'Rourke, dass Effizienz im Vordergrund steht. „Wir sind extrem diszipliniert darin, wie wir Rechenleistung nutzen.” Für ein Tool wie Meeting Monitor, das Hunderte von Sitzungen abdeckt, seien die Kosten vernachlässigenswert.
Die eigentliche Investition ist das Humankapital: die technisch versierten Journalisten, die diese Systeme aufbauen.
Der DevHub arbeitet in Quartalszyklen und veröffentlicht „ein großes Projekt, egal ob KI-getrieben oder datengetrieben, pro Quartal mit vielen kleineren Projekten in Zusammenarbeit mit unseren Redaktionen." Dieses nachhaltige Tempo ermöglicht die sorgfältige Erprobung und Verfeinerung, die HNP-Tools tatsächlich nützlich machen.
Skalierung ohne Verlust der lokalen Seele
Die Herausforderung für jeden Innovations-Hub, der mehrere Märkte bedient, ist es, lokale Authentizität zu bewahren und gleichzeitig Skaleneffekte zu erzielen. Hearsts Ansatz stellt lokales Fachwissen in den Mittelpunkt und nutzt dabei gemeinsame technische Infrastruktur.
Chowbots Expansion nach San Antonio (Texas) veranschaulicht diese Balance. Anstatt einfach die San Francisco-Version zu kopieren, entwickelte HNP eine neue Version, zugeschnitten auf den Gastronomiekritiker der San Antonio Express News und die lokale Gastro-Szene. „Wir wollten wirklich auf dem aufbauen, was wir in San Francisco gemacht hatten, aber den Menschen, den Reporter, noch stärker in den Mittelpunkt stellen", erklärt O'Rourke.
Die San Antonio-Version schnitt besser ab, mit erhöhten Repeat Visits, weil die Redaktion Datenbankaktualisierungen und Promotion-Strategien besser kommunizierte. Basierend auf diesen Erkenntnissen plant Hearst, die ursprüngliche San Francisco-Version zu aktualisieren.
Datengetriebene Projekte mögen nationale Datensätze analysieren, aber Lokalreporter liefern den Kontext und das Fachwissen, das Stories für spezifische lokale Communities relevant macht. „Das unterscheidet uns", bemerkt O'Rourke. „Zentrale technische Expertise gemischt mit lokalem Marktfachwissen."
Was Redaktionen, Produktteams und Verleger von Hearsts Dev Hub lernen können
Lokales Wissen schlägt Technologie: Für Medienunternehmen mit begrenzten Ressourcen ist O'Rourkes Rat klar: Lasst die Technologie nicht das lokale Wissen ersetzen, das in Jahrzehnte aufgebaut wurde. „Diese Technologie zu nutzen, um etwas aufzubauen anstatt zu ersetzen, ist meiner Meinung nach der absolute Schlüssel, denn in fünf Jahren wird jeder die gleichen Tools haben, die das Gleiche tun."
Definiert Eure lokale Nische: Der Wettbewerbsvorteil liegt im lokalen Fachwissen, nicht in der KI selbst. „Ihr werdet gegen ein großes Tech-Unternehmen konkurrieren, wenn ihr das gleiche Spiel spielt. Das ist nicht zu gewinnen. Aber Ihr könnt das Spiel mit lokalem Wissen und Content gewinnen, wenn ihr es richtig macht."
Fokussiert Euch auf nachhaltige Innovation: Beginnt mit echten Problemen, behaltet menschliche Aufsicht bei, messt Erfolgsmetriken und vergesst nie, dass lokales Fachwissen euer Schutzgraben im Wettbewerb ist. In einer Landschaft voller KI-Experimente, die oft alles versprechen und wenig liefern, hat Hearst Tools entwickelt, die in lokalen Nachrichtenmärkten tatsächlich funktionieren.
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